Lisa-Mimmi und der Engel der Tiere

 

Ich glaub, ich hab vor einigen Wochen erzählt, daß wir angeblich einen Einbrecher in unserem Treppenhaus hatten. Hab ich? Ja, hab ich.
Kann einer hier nachlesen
Ich will aber jetzt vom letzten Montag erzählen und warum Einbrechers sich in Zukunft bei uns in Acht nehmen müssen.
 

Es ist Zeit für meine sechs Brötchen und die Morgenzeitung. Mich interessiert ja nur der Fußballteil. Um meine Spannung zu erhöhen, lese ich aber vorher die ganze Frontseite der Tageszeitung. Geh ich also raus auf den Flur. Mit Pampuschen, wie jeden Morgen. Nur nicht am Sonntag, da gibt es keine Zeitung nicht.
Und was is? Mann, äh. Nix is. Zeitungskasten leer. Denk ich, jetzt kommen die Zeitungsklauer schon bis in den fünften Stock, um sich an meiner Zeitung zu vergehen. Ich zurück in die Wohnung und warte und warte und warte auf meine Lisa Mimmi. Sitz mir am Frühstückstisch rein ein Loch in den Bauch. Denk ich, Lisa Mimmi, die wird mir eine solche besorgen von der Trinkhalle um die Ecke. Macht die gern für mich.

Endlich hör ich sie im Flur rummachen und nach Luft schnappen. Immerhin fünf Treppen ohne Fahrstuhl können eine Frau schon fertigmachen.
Sag ich jetzt auf sie: »Lisa Mimmilein«, sag ich, »die Zeitungsklauer haben sich an unserer Zeitung vergriffen. Kannst du nicht mal zur Trinkhalle, weil, heute haben wir doch Montag und wegen Fußball und so«.

»Ach, das gebt es doch gar necht«, höre ich und »du armer Mann, nun mußt du em Angesecht deenes Weebes deen Frühstück zu der nehmen. Schrecklech, necht wahr«? Höre ich da einen schnippischen Ton in ihrer Stimme? Fällt mir jetzt ein, daß sie mir mal beim Frühstück die Zeitung abgefackelt hat. Einfach nur so.
Sag ich: »Lisa Mimmi, heut ist doch Montag«.
Da sagt sie auf mich: »Ja und? Gestern war Sonntag und morgen est Deenstag. Das est emmer schon so gewesen. Wer wollen das auch necht ändern, wegen der Tradeteon«.
Ich: »Ja aber. Und du weißt doch, der Sportteil«.
Jetzt guckt sie mich so an. So prüfend, so als ob sie mehr weiß als ich und sagt:
»Gut«, sagt sie, »aber nur weel ech so nett und so leeb ben. Aber erst noch hab ech eene Überraschung für dech. Du mußt aber auch metspeelen.« Während sie das sagt, sehe ich meinem rothaarigen Feuerschopf an, daß sie was im Schilde führt, wie man so sagt.
»Nu gut«, geb ich zur Antwort, »laß ich mich von deiner Überraschung überraschen«.

Jetzt ruft Lisa Mimmi mit dunkler Stimme: »Hände hoch, aber schnell. Keene Zecken wenn ech betten darf. Und schön dee Hände zusammenlegen, so als ob du betest. So wee du jeden Sonntag en der Kirche heuchelst und nur so tust als ob du betest. Ech kenn der doch«, sagt sie.

Jetzt wird Lisa Mimmis Stimme amtlich. Sie ruft: «Herr Hellmut Ceecereekowske, see send verhaftet. See werden von Frau Lesa-Memme Ceecereekowske beschuldegt, während des gemeensamen Frühstücks met der Anzeegenerstatteren, sech jeden Morgen henter eener Zeetung zu verstecken. Was haben see zu verbergen. Wollen see ausagen? Gestehen see? Ech mache see aufmerksam, daß alles was see jetzt sagen auch gegen see verwendet werden kann.«  
Um nicht ihre Überraschung zu verderben sag ich: »Ja, ja «, sag ich, »ich gestehe alles, aber mach schnell, damit das mit der Zeitung endlich.«

Ich also die Hände über den Kopf ausgestreckt und alles wie gewünscht. Auf eins wird mir ziemlich kalt an den Handgelenken. Gleichzeitig macht es klick und Lisa Mimmi flüstert mir ins Ohr: »So, leebes Hellmeleenchen, du kannst deene Äugen weeder aufmachen und dee Hände runternehmen«.
Mach ich, aber es geht mir seltsam komisch und als ich mich am rechten Ohr kratzen muß, dann der Durchblick. Lisa Mimmi. Meine Lisa Mimmi hatte sich Handschellen besorgt und mich damit gewissermaßen gebunden.
Jetzt ich: «Haha und Helau. Haben wir dieses Jahr unseren überaus lustigen privaten Karneval bißchen was früher? Mach diese Dinger sofort wieder auf, oder…«
»Oder was? Nex es met oder. Nex es met aufmachen. Jetzt werd gefrühstückt. Zeet für deene sechs Brötchen und dee Zeetung«.
Ruf ich, jetzt schon bißchen mit mehr Nachdruck. Also lauter und mit gefährlichem Unterton in meiner Stimme: »Wennste nich sofort die Dinger aufmachst, dann passiert was«.
Jetzt steh ich auf und gehe auf dieses rothaarige Wesen zu, die mir auf immer und ewig angetraut worden ist. Bis der Tod euch scheidet, hat der Pfarrer damals gesäuselt. Der stand ja auch nicht in Handschellen vor seiner rothaarigen Teufelsbraut.

Lisa Mimmi läßt mich nicht an sich heran. »Fang mech doch«, ruft sie schnippich und wir beide immer um den Tisch herum, bis mir die Luft für weitere Taten abhanden gekommen ist.
»Also gut«, sag ich, »du hast gewonnen, aber jetzt mach die Dingers ab oder ich ruf die Polizei«.
Sagt Lisa Mimmi: »Dann sag ech aus, daß du mech schlagen wolltest und ech dech nur en Notwehr gefesselt habe. Heer, werd ech sagen, nehmt en met auf dee Polezee, deesen Unhold und Frauenschläger«.

Liebe Freunde. Es gibt Zeiten im Leben eines Mannes, in denen er besser gute Miene zum bösen Spiel macht. Also sag ich jetzt: «Lisa Mimmi, laß uns in Ruhe darüber reden«. »Gut,« ist ihre Antwort, «nach dem Frühstück setzen wer uns aufs Sofa und dann wollen wer gemütlich darüber reden«.

Also jetzt Frühstück. Lisa Mimmi war so lieb und hat mir die Brötchen. Ich konnte das ja nicht in meinem fast hilflosen Zustand. Essen das ja und die Kaffetasse mit zwei Händen ging auch, fast ohne überschlappern.
Wir sitzen wie immer und kauen uns schweigend an. In die Stille spricht Lisa Mimmia auf mich: «Du Hellmeleen. Dee streeken heute, hab ech bee Alde gehört«.
»Wieso« frag ich, »wenn die bei Aldi streiken, woher hast du dann die Aldi-Brötchen?«
»Dee doch necht«, sagt sie, »dee Zeetungen streeken«.
Sag ich: »Zeitungen streiken nicht, die werden gedruckt, gelesen und zu Altpapier gemacht.«
»Ebend«, sagt Lisa Mimmi, »dee Druckers streeken heute und deshalb gebt es heute keene Zeetung nech. Aber wenn es eene geben täte, du armer Mann, du würdest dee doch gar necht halten können, mit deinem Armschmuck«.
Nach einer längeren Gesprächspause, so zwei Brötchen lang, sie:
»Ech hab uns Gehernfutter metgebracht und weel du so helflos best, darum les ech der jetzt beßchen was daraus vor.« Sie räuspert sich, wie der Stadionsprecher beim Fußball, wenn der etwas zu sagen hat.

Also, Lisa Mimmi liest: »Meen Mann est keen Frauenmörder« und schaut mich dabei so sonderbar an.
»Weiß ich all,« sage ich, »lies was anderes«.
»Ostern bee Oma. Darauf freuen wer uns das ganze Jahr«.
»Welche Oma« unterbrech ich sie. »Meine Oma ist gleich nach Ostpreußen gestorben und deine ist auch schon unter der Erde. Tot. Verstorben. Unbekannt verzogen.«
Lisa Mimmi blättert Seite um Seite in diesem seltsamen Heft. Ich sehe jetzt, es heißt »Heiße Post« oder so ähnlich.

»Oma«, ruft Lisa Mimmi plötzlich, »dabee fällt mer deene Mutter een. Erennerst du dech noch an damals, dee Geschechte met rechteg und andere Mädchens?«
Gott, was hab ich mich für meine Mutter geschämt, denk ich, als die frontal meine damalige Freundin anmachte. Und das sag ich jetzt auch laut zu meiner Lisa Mimmi.
  »Ja«, sagt sie, »ech weeß. Ech ben necht dee Rechtege für dech und du hättest was Besseres verdeent und ob es überhaupt seen müsse met eener Rothaaregen, wo ausseeht wee een Pavean von henten und wo es doch so veele andere hübsche Mädchen gebt. Und weeßt noch was ech erweder habe, ja? Hab ech auf see gesagt: Aber Hallo Frau Ceeceerekowske, darauf kommt es doch necht an, auf ehr rechteg oder falsch. Für mech est nur wechteg, daß meen Hellmut der Rechtege für mech est, nech Hellmeleen?«
»Genau«, sag ich, »und dann hat sie bis zum ersten Enkel nicht mehr mit uns gesprochen«.
»Aber auf unserer Hochzeet war see. Ganz en schwarz, wee Schneewettchens garstege Steefmutter«, sagt Lisa Mimmi noch.

Und dann liest sie mir aus diesem Blatt vor, wie einer Frau W. P. ihr Hund, sie, die Frau P. in den Himmel begleitet habe. Die tapfere Frau soll 14 Papageien gehabt haben, dazu die Katze Maxi und die Hunde Polly und Bolle. Die sind aber nicht mit zum Himmel, wenigstens stand da nichts drüber drin.
Bewegend die Geschichte. Eigentlich was für die Kanzelamsel in unserer Kirche und eher nich so was fürs Frühstück. An Lisas Mimmis Stimme konnte ich hören, daß ihr das alles sehr, sehr nahe ging. Leise sag ich: »Ich würd dich ja gern in den Arm nehmen und trösten, aber so geht das nicht« und ich zeig ihr meine gefesselten Hände.
Jetzt hat sie mich aufgeschlossen und ich hab sie dann leicht gestreichelt. Immer den Rücken rauf und runter. Ganz langsam. Dann bißchen was die Fingernägel zur Hilfe genommen. Hat auch nicht lange gedauert. Ich hab ihr noch bißchen in den Nacken und ihr Ohrläppchen gebissen. Hat sie ganz gleich geschnurrt und geschnurrt.

Nun greift Lisa Mimmi in ihren Einkaufskorb und legt mir das Zentralorgan der deutschen Fußballwelt, was heißt Kicker, auf den Tisch. Frisch von heute. 
Jetzt sagt sie: »Hab ech der metgebracht von der Trenkhalle. Ech wußte ja von der Zeetung. Ech schaue emmer erst en den Kasten bevor ech auf Alde gehe Brötchen holen«.
Natürlich hat mich das freudig gemacht. Sogar gerührt. Auch stolz. Ich meine, wer hat schon so eine Frau, die ihrem Mann was mitbringt, damit der sich das vors Gesicht halten kann, währen sie sich wahrscheinlich die ganze Zeit ihre Fingernägel anschaut oder meinswegen auch was anderes.

Grad will ich meine Lektüre beginnen, da denk ich: Halt, da war doch noch was heute Morgen. »Lisa«, sag ich, »das mit den Schellen, woher hast du die?«
»Von meenem Schwager«, sagt sie, »der was deen Bruder est und bee den Geheemen, wo see Kremenalpolezee drauf sagen, arbeetet. Dee hab ech mer schenken lassen und ehm gesagt, ech wolle mal seenen Bruder verhaften, deesen Schuft, der mer meen Herz gestohlen hat. Augenzwenkernd hat er see mer en dee Hand gedrückt und dabee gesagt: Aber necht em Schlafzemmer benutzen. Das hab ech ehm versprochen«.
»Ähem«, räuspere ich mich. »Kann ich mal den Schlüssel haben? Ich hab nämlich neulich gelesen, daß man in in gewissen Situationen schon mal sein Versprechen brechen darf«.

Neben dem Engel der Wachsamkeit, der alle Einbrecher aus unserer Wohnung verscheuchen soll, hängen nun die Handschellen. Immer griffbereit, falls ich einen dieser gemeinen Diebe die im Treppenhaus herumschleichen, verhaften muß.

Liebe Freunde, jetzt kommt die Werbung
Bolly, der Hund der tapferen Frau W. P., wo jetzt im Himmel ist, wird dort vom Engel der Tiere zum Gassigehen begleitet, nur damit Bolly sich in den Weiten des Himmels nicht verläuft. Wie er aussieht, der Engel der Tiere? Nu, dann schauen Sie doch hier

 

 

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