Zen-Meister Jesus
Mai 23rd, 2010 von Hans Blazejewski
Meinem heutigen Wort zum Sonntag stelle ich einige Zitate aus dem Thomas Evangelium voran. Machen Sie sich Ihren eigenen Reim auf diese Zitate und meinen Kommentar dazu.
Man könnte glauben, Jesus sei ein Vorläufer aller Zen-Meister und nicht so ein Leidensmann, als den die vatikanische Christenheit ihn uns verkauft. Ganz zu schweigen von den perversen Interpretationen von Jesu Leben und Wirken, mit denen die Pfaffen die Menschheit beglücken.
(2) Wer sucht, soll nicht aufhören zu suchen, bis er findet; und wenn er findet, wird er erschrocken sein; und wenn er erschrocken ist, wird er verwundert sein, und er wird über das All herrschen.
(3) Wenn ihr euch erkennen werdet, dann werdet ihr erkannt, und ihr werdet wissen, daß ihr die Söhne des lebendigen Vaters seid. Aber wenn ihr euch nicht erkennt, dann seid ihr in der Armut, und ihr seid die Armut.
(5 ) Erkenne, was vor dir ist, und was dir verborgen ist, wird dir enthüllt werden. Denn es gibt nichts Verborgenes, was nicht offenbar werden wird.
(18) Die Jünger sprachen zu Jesus: Sage uns, wie unser Ende sein wird.
Jesus sprach: Habt ihr denn schon den Anfang entdeckt, daß ihr nach dem Ende fragt? Denn dort, wo der Anfang ist, dort wird auch das Ende sein. Selig, wer am Anfang stehen wird, und er wird das Ende erkennen und den Tod nicht schmecken.
(22) Jesus sah Kleine, die gesäugt wurden. Er sprach zu seinen Jüngern: Diese Kleinen, die gesäugt werden, gleichen denen, die ins Königreich eingehen. Sie sagten zu ihm: Wenn wir also Kinder werden, werden wir (dann) in das Königreich eingehen? Jesus sprach zu ihnen: Wenn ihr aus zwei eins macht und wenn ihr das Innere wie das Äußere macht und das Äußere wie das Innere und das Obere wie das Untere und wenn ihr aus dem Männlichen und dem Weiblichen eine Sache macht, so dass das Männliche nicht männlich und das Weibliche nicht weiblich ist und wenn ihr Augen macht statt eines Auges und eine Hand statt einer Hand und einen Fuß statt eines Fußes, ein Bild statt eines Bildes, dann werdet ihr in das Königreich eingehen.
(24) Seine Jünger sagten: Belehre uns über den Ort, an dem du bist, denn es ist notwendig für uns, dass wir ihn suchen. Er sprach zu ihnen: Wer Ohren hat, der höre! Es ist Licht nur im Inneren des Menschen des Lichts, und er erleuchtet (ihm) die ganze Welt. Wenn es (einem) nicht scheint, ist Finsternis.
(34) Jesus sprach: Wenn ein Blinder einen Blinden hinter sich her zieht, fallen sie beide hinunter in eine Grube.
(42) Jesus sprach: Seid Vorübergehende!
(50) Jesus sprach: Wenn sie zu euch sagen: ‚Woher kommt ihr?‘, dann sagt zu ihnen: ‚Wir kommen aus dem Licht, daher, wo das Licht aus sich selbst heraus geboren ist. Es hat sich erzeugt, und es hat sich in ihrem Bild offenbart.‘ Wenn sie zu euch sagen: ‚Wer seid ihr?‘, dann sagt: ‚Wir sind seine Söhne, und wir sind die Auserwählten des lebendigen Vaters.‘ Wenn sie euch fragen: ‚Welches ist das Zeichen eures Vaters in euch?‘, sagt zu ihnen: ‚Es ist Bewegung und Ruhe.‘
(51) Seine Jünger sagten zu ihm: An welchem Tag wird die Ruhe der Toten eintreten, und an welchem Tag wird die neue Welt kommen? Er sprach zu ihnen: Was ihr erwartet, ist gekommen, aber ihr erkennt es nicht.
(67) Jesus sprach: Wer die ganze Welt kennt, doch das Eine nicht, dem fehlt alles.
(77) Jesus sprach: Ich bin das Licht, das über allen ist. Ich bin das All; das All ist aus mir hervorgegangen, und das All ist zu mir gelangt. Spaltet das Holz, ich bin da. Hebt einen Stein auf, und ihr werdet mich dort finden.
(80) Jesus sprach: Wer die Welt erkannt hat, hat den Leib gefunden; aber wer den Leib gefunden hat, dessen ist die Welt nicht würdig.
(89) Jesus sprach: Warum wascht ihr das Äußere der Trinkschale? Versteht ihr nicht, dass der, der das Innere gemacht hat, auch der ist, der das Äußere gemacht hat?
(102) Jesus sprach: Wehe den Pharisäern, denn sie gleichen einem Hund, der in dem Trog der Rinder liegt; denn er frisst nicht, noch lässt er die Rinder fressen.
(113) Seine Jünger sagten zu ihm: Das Königreich, an welchem Tage wird es kommen? Jesus sprach: Es wird nicht kommen, indem man darauf wartet. Man wird nicht sagen: Seht, hier ist es, oder: Seht, dort ist es. Sondern das Königreich des Vaters ist ausgebreitet über die Erde, und die Menschen sehen es nicht.
Quelle: Thomas-Evangelium nach einer Übersetzung von Wieland Willker
Sehen Sie den Unterschied zwischen dem Meister und der Ichbezogenheit seiner Schüler?
Die Schüler fragen, wann das Königreich kommen wird (113), dabei haben sie doch gehört, daß man sich das Königreich holt. Haben sie die gütige Unterweisung des Meisters vergessen?: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht das Himmelreich erlangen, oder so ähnlich ist es angeblich vom Matthäus überliefert. Sie aber fragen, wann was kommt, wer im Himmel der Größte ist und son Zeugs. Sie wollen auch gern wissen, wie ihr Ende sein wird, dabei haben sie noch nicht einmal ihren Anfang erkannt.
Es ist so, als beabsichtige man, ein Haus zu bauen. Ein Architekt wird eingeladen, und noch bevor der erste Entwurf auf dem Tisch liegt, will der zukünftige Hausherr gern wissen, was mit dem zu bauenden Haus passieren wird, wenn dieses eines Tages auseinanderfällt.
Der Meister legt ihnen seine gesamte Erfahrung zu Füßen. Lehrt sie, wie man Innen und Außen in Einklang bringt, lehrt sie, wie die Dualität, in der sie gefangen sind, aufgehoben werden kann. Es ist doch eindeutig! Und weil es so eindeutig ist, will ich das schon weiter oben angeführte Zitat, hier noch einmal hinstellen:
»Jesus sprach zu ihnen: „Wenn ihr die zwei zu eins macht und wenn ihr das Innere wie das Äußere macht und das Äußere wie das Innere und das Obere Wie das Untere und wenn ihr das Männliche und das Weibliche zu einem einzigen macht, so daß das Männliche nicht männlich und das Weibliche nicht weiblich ist, und wenn ihr Augen macht anstelle eines Auges, und eine Hand anstelle einer Hand und einen Fuß anstelle eines Fußes, ein Bild anstelle eines Bildes, dann werdet, ihr in [das Königreich] eingehen.“
Nun tauschen Sie, liebe Leser »Königreich« gegen »Erleuchtung« aus und schon sind wir mitten im Zen-Buddhismus. Denken Sie nicht: Oh, da hat sich aber ein Zenmeister einen Scherz erlaubt, indem er der historischen Gestalt Jesus Zen-Weisheiten untergeschoben hat. Schauen Sie lieber wie überaus mitfühlend Jesus seinen Kyosaku (Zen-Stock) benutzt um seine Schüler aufzuwecken. „Werdet Vorübergehende!“ lehrt er sie. Laßt los. Befreit euch von allem, was euch limitiert. Klammert euch nicht an euer Wissen und eure materiellen Dinge. Macht eure Erfahrungen, sagt er ihnen. Seid nicht lau, hört nicht auf zu suchen, bis ihr gefunden habt, predigt er ihnen. Wascht nicht das Äußere des Bechers, denn warum verschwendet ihr eure Talente auf der Suche nach Äußerlichkeiten? OSHO sagt: »Nur eine kleine Suche im Inneren und man stößt auf Schätze über Schätze.« Ja, die Schüler müssen nicht einmal suchen, sondern nur erkennen, daß sie Buddhas, daß sie Erleuchtete sind.
Zen-Meister Dōgen sagt :
„Den Weg zu studieren heißt sich selbst zu studieren, sich selbst zu studieren heißt sich selbst vergessen. Sich selbst zu vergessen bedeutet eins zu werden mit allen Existenzen.“
Mumon Enkai singt:
Worte vermitteln keine Dinge,
Reden beinhaltet nicht den Geist.
Wer sich auf Worte stützt, verliert.
Wer sich ans Reden hält, verirrt sich.
Damit Sie sich nicht verirren hier der Zen-Führer Deutschland
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