Unschuldslämmer…

August 28th, 2009 von Hans Blazejewski

Unschuldslämmer …

Als ehemalige Gymnasiallehrerin kenne ich Tausende von Unschuldslämmchen, die ihre Eltern zu Hause in Unwissen lassen, was sie so in der Schule anstellen. Es kommt immer erst dann zutage, wenn etwas passiert. 
In meinem Fall waren es vier 14 Jährige, die mich während meiner Pausenaufsicht aus einem Fenster – schön versteckt – mit einer Airsoft Pistole beschossen haben. Nun, es ist glimpflich verlaufen, sie haben nur meinen Arm getroffen, aber … es hätte ins Auge gehen können.
Es stellte sich heraus, dass die Schüler vier dieser Waffen in die Schule geschmuggelt hatten und damit bereits einige Tage, vor dem Vorfall mit mir, auf dem Pausenhof auf Kinder herumgeballert hatten. Die Eltern wußten von nichts und weigerten sich auch zu glauben, dass ihre Unschuldslämmchen so etwas besitzen. Die Waffen wurden von der Polizei konfisziert, denn es waren solche, die erst ab 18 Jahren erlaubt sind. Ende vom Lied: Ich wurde versetzt, weil ich diese Schule nicht mehr betreten konnte, die vier Schüler bekamen vom Richter , am Ende des Prozesses, ein paar Stunden Auflagen, den Stadtpark zu putzen. 

Viele Eltern haben keine Ahnung, was ihre Lämmchen so anstellen, weil die Lämmchen oft auf sich gestellt sind. Heutzutage arbeiten meistens beide Elternteile und können gar nicht mitbekommen, womit sich ihre Kinder (TV, Internet, Ballersspiele) beschäftigen.  
Eltern mit zwei Kindern kommen manchmal mit ihren Zwei nicht klar (wenn man die TV-Sendung mit der Nanny sieht), aber wir Lehrer haben 30 davon pro Klasse. Respekt, Konzentration, Lernwille, sind oft ein Fremdwort für diese Schüler und entsprechend läuft der Unterricht ab. Es wird mit Handys hantiert, man trägt Cappy, man ißt, klönt (was es bei mir alles NICHT gab), Lehrer duzen sich mit den Schülern (man will ja cool bei den Schülern ankommen) und so können die heutigen Schüler keine Grenzen mehr erkennen, sie machen, was sie wollen … auch unter sich auf dem Pausenhof. Dort herrschen „Bandenkriege“, die ständig schwelen und auch mit in den Unterricht getragen werden. Daraus resultieren nicht selten während des Unterrichts regelrechte Konfrontationen mit Anschreien und körperliche Angriffe. – Davon erfahren Eltern nichts und Lehrer sind nicht immer in der Lage so etwas handzuhaben. 

Es beginnt schon in den Grundschulen und sieht in den Handelsschulen, Gymnasien, später nicht viel anders aus.
Und man glaube nicht, dass sich dies nur unter männlichen Wesen abspielt, Weibliche sind heutzutage genauso drauf. 
Dies sind nur MEINE Erfahrungen. Erfahrungen an mehreren Schulen in Hamburg, aber ich denke, in anderen Städten sieht es nicht viel anders aus. 
Was ist die Quelle dieser Entwicklung? Meiner Meinung nach ist es an erster Stelle der Verlust von RESPEKT. Lehrer sind derart verunglimpft worden, dass man uns nur noch als „die Deppen der Nation“ ansieht, die sowieso nur Ferien haben. Aber der Mangel an Respekt beginnt im Elternhaus und schon dort herrscht oft keiner mehr. Dazu kommt noch, dass WENN man es mal als Lehrer wagt, die Eltern anzusprechen, weil es Probleme mit dem Unschuldslämmchen gibt, die Eltern mit solch einem Tenor kommen: SIE müssen mit meinem Kind klarkommen, SIE müssen es erziehen, SIE müssen ihm was beibringen etc etc … es ist IHRE Aufgabe … 

Klar doch, wir sollen 30 Kinder pro Klasse erziehen, die ohne zu wissen was Respekt ist, an die Schule kommen, unseren Stoff weitergeben, jede Unterrichtstunde mit Disziplinierungen durchhalten, den Druck von der Schulleitung aushalten, Konferenzen am laufenden Band besuchen, zusätzliche Fortbildungsseminare machen, Korrekturen am Wochenende … Und so kommt es, dass sich viele, viele Unschuldslämmer bilden, die eigentlich nichts anderes wollen, als BEACHTET zu werden.
Im Grunde genommen ist es ein AUFSCHREI nach Liebe und Beachtung. – Aber … die Eltern haben keine Zeit, die Lehrer haben keine Zeit und so holt man sich wenigstens Beachtung bei den Klassenkameraden und versucht sich bei denen zu profilieren … Arme Unschuldslämmer, sie sind nämlich wirklich unschuldig, denn wir Erwachsene sind es, die hier versagen, weil wir von der Hektik des heutigen Alltags, den Kampf um den Arbeitsplatz, die Sorgen ums Geld völlig eingenommen werden. 

Ein Gastbeitrag von Gabriele Diana Bode 
 

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