Mein Kind, das Unschuldslamm
August 23rd, 2009 von Hans Blazejewski
]Mein Kind, das Unschuldslamm
Gemischte fünfte Schulklasse. Mädchen und Jungen. Zwei Blöcke mit überwiegend geringen Schnittmengen. Die Mädchen sind noch immer Zicken und seltsam. Die Jungen sind laut und unausstehlich.
Reden wir vom männlichen Teil, denn „Meiner“ ist auch so einer.
Ach Du liebe Zeit. Da gibt es Tage, da ist er der Leidensmann schlechthin. Da höre ich, wie er hin und her geschubst wird. Höre, daß er sich auf einen Baum retten mußte, weil die Anderen ihn hauen wollten oder daß er einfach nicht mitspielen durfte.
Kommt die Mutter eines Tages nach Hause und erzählt, daß sie den Unseren aus einem Kirschbaum gepflückt habe unter dem drei Kinder, zwei davon auch noch wesentlich jünger als er, standen und ihn verbal bedroht hätten. Zur Abwehr habe er nur von oben gespuckt, sagt Unser, und auch sonst sei er vorher nur so einfach über das Schulhofgelände gegangen und da habe ihn der XYZ mit Steinen beworfen und mit einem Stock nach ihm geschlagen.
Na! Mein liebendes Vaterherz schlägt und klopft voller Empörung. Griff zum Hörer. Klassenlehrerin angerufen. Nimmt nicht ab. Natürlich! Schulsekretariat angerufen. Auch das noch, ist schon geschlossen. Also hebe ich mir mein zorniges Mitgefühl für den nächsten Tag auf. Ich werde der sein, der sein verfolgtes Kind von der Schule abholt.
Großes Geschrei und Durcheinander vor dem Klassenzimmer. Ich verschaffe mir Gehör und frage, wer XYZ sei. Ich ruft es und zig Finger zeigen auf den Ichsager.
Also XYZ, du sollst ein ganz schlimmer Finger sein, hab ich gehört. Wildes Geschrei, denn alle wußten gleich um wen und worum es ging.
Nee, nee und das war ganz anders und überhaupt sei Meiner der, der auch immer….
Den Rest können Sie sich ausmalen, liebe Blogfreunde. Mein Waterloo, mein Ahaerlebnis schlechthin.
Also examiniere ich Meinen. Sage, sag mal, wie war das eigentlich? Hattest Du nicht auch einen Stock, so zufällig. Nö. Denk mal zurück. Ja, aber nur einen ganz kleinen. Nach ersten Angaben etwa 10 cm lang. Wir einigten uns dann bei etwas mehr als Armlänge. Den Stock habe er nur so hingehalten, quasi in Abwehrhaltung. Geschlagen habe er damit auf keinen Fall und wenn, dann bestimmt nicht doll.
Und wie war das mit den Steinen? Ooch (mit vielen langen o’s), ich hatte nur einige ganz kleine zufällig in der Tasche. Geworfen hab ich damit ganz bestimmt nicht. Ich hab die dem XYZ nur gezeigt.
Wie gesagt, mein Waterloo. Jetzt höre ich und denke, wie neulich, als es den großen, aber wirklich großen Krach beim Baumhaus-Bau gab, so mit werfen von Balken, Zaunpfählen und Brettern: Alter, Deiner berichtet einfach nur von seinen Wahrnehmungen dieses oder jenes Geschehens.
Ich mische mich nicht mehr sichtbar ein, sondern bleibe im Hintergrund. Ich empöre mich nicht, wenn ich höre, daß Meiner und sein Freund, angeblich Haupt-Initiatoren des Baumhaus-Baus, von den anderen zu hören bekommen: Ihr dürft nicht mehr mitmachen. Statt dessen bestärke ich ihn, wenn er mir von seiner Reaktion berichtet, er und sein Freund, die bauen jetzt ihr eigenes Haus.
Kinder stark machen, und zwar so, daß sie mit eigenen und fremden Aggressionen angemessen umgehen können. Stark machen, indem man ihr Selbstvertrauen und ihre Selbstsicherheit fördert. Stark machen, indem man ihre Wahrnehmung und Achtung eigener und fremder Grenzen schult.
Wenn wir das unseren Kindern nicht vermitteln können und, sagen wir ehrlich, welche angeblich normalen Eltern können das schon, dann müssen wir uns Hilfe bei denen suchen, die dazu in der Lage sind.
In meiner Region gibt es solche Angebote wie: Selbstbehauptung und Selbstverteidigung für Mädchen und Jungen. So was hat es sicher auch in Ihrem Umfeld.
Gut, wir können unsere Kinder leiten, daß sie solche Angebote freiwillig annehmen. Aber was machen wir mit den Eltern, wie z.B. diesen:
Zirkus AG. Der ABC wirft mit Jonglierbällen. Mit voller Kraft. Mit Absicht. Wohin? Richtig! Auf den Meinigen, seine Mutter hat’s gesehen. Resultat: Brille verbogen, blaues Auge. Gespräch mit der ABC Mutter mit der Bitte ob sie nicht mal auf den ABC mäßigend einwirken könne.
Ach was, meiner macht so was nicht, ist die Antwort. Das war der bestimmt nicht. Dann sagt sie noch, was wir aber schon wissen: Ihrer ist auch kein Unschuldslamm.
Damit mein Bild schärfer wird, noch der Hinweis, daß das ein anderes Kind, männlich, auch so ein Unschuldslamm mit seinem Bike mehrmals über seine Brille gefahren ist, weil er die nicht mehr aufsetzen wollte. Seine Mutter glaubt noch immer, er habe sie verloren.
Sagen Sie mal, wie ist das eigentlich mit Ihnen und Ihren Kindern? Haben Sie auch reine Unschuldslämmer?
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