Lisa-Mimmi und mein persönlicher Schutzengel

April 19th, 2010 von Hans Blazejewski

 

Mein persönlicher Schutzengel im Zeichen des Krebses

 

Ich schrieb Ihnen schon von meiner Lisa-Mimmi. Haben Sie sicher gelesen. Oder? Falls nicht,  können sie es hier nachlesen

Früher, da wollte sie Deutschlehrerin werden, meine Lisa-Mimmi. Auf dem Lehramt haben sie die nicht genommen. Leeder nech, sagt sie. Dabee wäre ech ene rechteg gute Lehreren geworden, sagt sie. Die katholische Klosterschule, also ich meine die Nonnen, die hätten sie genommen. Hätte aber auch eine solche werden müssen. Da hab ich Nein gesagt. Womöglich hätte ich Mönch oder Pfarrer werden müssen um meine Lisa-Mimmi. Aber lassen wir das. Das gehört nicht öffentlich.

Das wollen wir uns jetzt mal ausmalen, das mit der Schule. Wir müssen uns das so vorstellen:
Grundschule. Erste Klasse. Früher hießen deren Insassen i-Männchen. Gab nur solche. i-Mädchen gabs auch. Die hießen aber auch i-Männchen.

Also jetzt Lisa-Mimmi und die gedachte Deutschstunde.

Lebe e-Männchen. Heute wollen wer em Deutschunterrecht die Vokale durchnehmen.

Wevele Vokale gebts?
Rechteg!
Und we heßen de?
a e i o u
Rechteg!

Es gebt also de Vokale a e e  o u.

Du,  Frau Schischikowski. Du hast das i vergessen.

Oh, Du kleines e-Männchen. Da mußt du aber besser aufpassen. Das e hab ech auch genannt.
Also noch enmal. Da ehr ja schon schreeben könnt, schreebt se glech en euer Heft: a e e o u.

Hat nicht geklappt, das mit der Lehrerlaufbahn. So kam es, daß eine ganze Generation mehr oder minder wißbegieriger Kinder vor dem e, das eigentlich ein i meint, bewahrt wurde. Auch mußte man nicht den Duden um diese Vokalvariante ergänzen. Aber denken, denk ich, können wir uns das schon recht lebhaft, wie es gewesen wäre, wenn…

Als sie damals den Ablehnungsbescheid erhielt, übrigens ohne Begründung, da waren wir schon befreundet. Da hat sie mich schon bekocht und bebügelt. Nur, an dem Tag hätte ich auswärts essen sollen. Dann hätte ich sie noch alle beisammen. Meine Zähne.
Es gab Pommes. Aus der Tüte. In den Ofen geschoben. Dann auf den Tisch und dick Majo, Senf und Ketchup drüber. Bei dieser Begebenheit hab ich mir den linken Schneidezahn abgebrochen. Beim Pommesessen bei meiner Lisa-Mimmi.

Damals hatte sie es noch nicht so voll drauf mit den Engeln. Hätte sie, dann wär mir das vielleicht nicht so passiert. Jedenfalls Pommes bei meiner Lisa-Mimmi gabs nie wieder.
Später, wenn wir an einer Pommesbude vorbeikamen, dann erinnerte sie sich manchmal an diesen Vorfall. Man kann auch sagen an diesen Ausbruch. Das ist auch nicht falsch.

Weest noch, spricht sie auf mich. Weest noch damals, als der das met deen Zahn geschehen est?

Geschehen, sagt sie. Das sagt man nicht. Das mit dem Zahn ist passiert. Mir ist es passiert.
Mir ist ein Wunder geschehen, ja das kann man sagen. Das ja. Aber nicht ein Wunder  ist mir passiert. Das paßt einfach nicht. Und wenn einem ein Schneidzahn ausbricht, dann ist das für ein Fleischesser eh kein Wunder sonder ein très grand malheur du kack.

Gleich, paar Wochen nach dem Pommesunfall hat sie mir einen Schutzengel an die Autoscheibe geklebt. In Augenhöhe!
Sage ich: Was machst da jetzt?

Ech hab der eenen Schutzengel an dee Scheebe geklebt, gibt sie zur Antwort. Der beschützt deech jetzt emmer.

Sage ich, findest Du nich, daß der da an der Scheibe eher Unglück bringen wird? 
Der nimmt mir ja die Sicht auf die Fahrbahn.
Da wurde sie bißchen was grummelig.
Sagt sie auf mich, ech hab es nur gut met der gemeent. Du sagst immer, daß Du besser Auto fährst als ech. Aber du hast dee seeben Flensburger auf deenem Konto. Ech hab keene. Obwohl du emmer sagst, du fährst besser als eech. 

Kunststück rufe ich ihr entgegen, du hast ja auch keinen Führerschein.

Das ging so den Vormittag hin und her. Irgendwann war es ihr dann genug. Jetzt werd gegessen was auf den Tesch kommt, sagt sie.
Ach, was kommt denn, sag ich zurück? 
Ech hab uns Sauerkraut met Eesbeen gemacht. Deen Leeblengsgerecht.
Hinterher rief sie auf mich, schon die Tür in der Hand: Ech muß noch mal dee Trepp runter und ens Veertel eenkaufen. Kannst schon mal das Gescheer abwaschen und vergeeß dee Töpfe nicht.
Ja, das stimmt, Töpfe vergess ich immer. Töpfe mach ich nicht gern. Pfannen auch nicht.

Kam auch bald zurück, meine Lisa-Mimmi. Rennt in die Küche und setzt den Pfeifekessel auf den Herd. Rennt ins Wohnzimmer und ruft mir durch den Vorhang zu, wir haben keine Wohnzimmertür, sondern einen dunkelblauen Samtvorhang, so einen richtig schweren, ruft sie mir durch den Vorhang zu: 
Ech mach es uns jetzt rechteg gemütlech. Hab ech Mohnstreezel metgebracht. Dazu trenken wer guten Bohnenkaffee. Nech sone übergesunde Zechoreensoße.
Also setzten wir uns an den Tisch, auf dem sie schon die guten Sammeltassen  verteilt hat, noch von Oma Grete aus Gelsenkirchen-Buer-Erle.

Irgendwas hat sie. Sie schaut mich so, so, na ich weiß nicht wie an. Ich kenne den Blick. Da kommt dann immer was nach.
Richtig. Während ich mir die Zunge am zu heißen Kaffee verbrühe, reicht sie mir einen Briefumschlag.
Oh là là! sag ich. Ist schon Zahltag? Gibt’s das jetzt wieder in der Tüte? 
Da tritt sie mir auf den Fuß. Damit ich es auch bemerke macht sie es mit dem Absatz, so bißchen von oben herab. Das ist das Signal für mich. Ich weiß, ich habe jetzt zu schweigen, sonst tritt sie mir gegen das Schienenbein. Also schweige ich und schau sie an. Schweigen kann ich gut. Wir sind ja auch schon länger ein Paar.
Sage aber noch, hast was eingekauft? Hast was mitgebracht? 
Ja, sagt sie, aber ech sage noch necht was es est. Kannst ja den Breefumschlag aufmachen.
Nu gut, mach ich den Briefumschlag auf. Vor ihren Augen. Ich sehe es ihr an, am liebsten würd sie den selbst aufmachen, obwohl sie ja wohl weiß, was drin ist. Hat sie ja mitgebracht.

Erst will der Deibel sich nicht öffnen lassen. Als ich schon nach Art der starken Männer wollte, rief sie:
Aber necht doch met roher Gewalt. Geb mal her. Ech mach das für dech.
Nee, sag ich, machste nich. Wenn ich das verstopfte Klo reparieren kann, dann kann ich auch so einen. 
Nu gut, hab ihn aufgekriegt. Schütte den Inhalt auf den Tisch zwischen unsere Gelsenkirchener-Barock Tassen. 

Ich mach es kurz. War ein Lesezeichen drin und ein kleines viereckiges Dings mit abgerundeten Ecken. Sah wie eine Scheckkarte aus.
Au, das ist aber lieb, sag ich. Hast ein Konto für mich eingerichtet. Hast was draufgepackt. Hast mir gleich die Scheckkarte mitgebracht. Haben wir was geerbt?
Ach du emmer met deenen Scherzen, sagt sie.
Das eene ist een Lesezeechen met dem Engel der Freude. Kannst en deen Postsparbuch stecken. Das andere est deen persönlecher Schutzengel für deene Geldbörse. Den von deener Wendschutzscheebe, den hab ech der abgepuhlt. Schutzengel sollen beschützen und en keene Unfälle necht verweckelt seen.

Ja, sag ich, daß mit dem Geldbörsenschutzengel, daß verstehe ich. Aber der Engel der Freude in meinem Sparbuch? Weißte was drauf ist?
Ja, sagt sie und hüpft freudig erregt auf ihrem Stuhl hin und her. Eben, darum.


Vielleicht sollte ich Ihnen, liebe Leser, zeigen, was ich nun in meinem Postsparbuch und meiner Geldbörse habe?
Bitte sehr, hier mein persönlicher Schutzengel 
und hier der Engel der Freude, mein neuer Postsparbuchbewohner
u
nd dies ist so ein Schutzengel, wie der, den meine Lisa-Mimmi abgepuhlt hat

Viele Grüße an alle, hat meine Lisa-Mimmi mir aufgetragen. 
Also, seien Sie gegrüßt.
  

 

 

 

 

 

 

 

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